Feiner Honig, edle Brände
Streuobstwiesen, Lebens und Erlebensraum
Die Streuobstwiese, oder der Streuobstanbau ist der Traditionelle Bäuerliche Obstanbau auf grosskronigen, Hochstamm,- und auch Halbstammbäumen. So gut wie immer unterschiedlicher Sorten, Arten, und Alters. Selten in Reihen gepflanzt, sondern eher wie hingestreut über die Wiese und den Garten um den Bauernhof.
Früher waren die Streuobstwiesen gleichzeitig auch die Weide für das Vieh, und das konnte um die heiße Mittagszeit im Schatten der großen ausladenden Bäume ruhen und wiederkäuen.
Auch entlang der Wege und Straßen standen früher Obstbäume, und nicht selten wurden sie als „Grenzbäume“ gepflanzt um anzuzeigen, wo die Wiese oder das Feld des einen Bauern endet und das des Nachbarn anfing. Diese „Ruahbam“ mussten als ersten weichen, als die Landwirtschaft technisiert wurde und die ersten Traktore aufkamen. Auch die berühmten Flurbereinigungen und Grundzusammenlegungen waren mitverantwortlich am Verschwinden der Landschaftsprägenden Bäume.
In manchen Gegenden war es auch üblich Obstbäume in den Weingärten zu pflanzen, oder auf den kleinen Feldern, um so den Ertrag der meist Kleinbäuerlichen Familien etwas zu steigern. So standen mache Bäume mitten in Kürbis oder Erdäpfelfeldern, oder auch im Getreide. In Ihrem Schatten ruhten die fleißigen Schnitter, wenn es zur Jause ging nach der schweren Arbeit des Mähens des Getreides mit der Sense.
Aber eines soll gesagt werden: die typische Streuobstwiese gibt es nicht.
Jede ist für sich ein Unikat. Keine gleicht der anderen, in jeder stehen andere Obstsorten und Arten. In einer stehen nur Äpfel, auf der nächsten Äpfel, Birnen und Kirschen, der Nachbar hat mehr Zwetschkenbäume und der nächste hat eine Vorliebe für Nüsse und Kastanien. So unterscheidet sich jeder Bestand. Auch das Alter der Bäume ist höchst unterschiedlich. Auch wenn der Großteil der Bestände längst überaltert ist und kaum Jungbäume nachgepflanzt werden, gibt es doch die eine oder andere Wiese auf der wieder frische Bäume heranwachsen dürfen.
Da diese Wiesen nur beweidet oder ein bis zweimal gemäht werden, können sich auf diesen Flächen eine Vielzahl von Gräsern und Kräutern entwickeln die auf intensiv genutztem Grünland keine Chance haben.
Streuobstwiesen sind ein wahres Paradies für viele Pflanzen und Tiere. Vögel, Insekten, Reptilien, Gräser, Kräuter, Flechten & Moose, und Pilze. Alle aufzuzählen wäre hier der falsche Ort.
In den Stämmen dicker Birnbäume haben schon so manche Spechte eine Höhle gezimmert in der dann später auch andere Vogelarten nisten. Und wenn ein Apfelbaum hohl geworden ist, ist er nicht selten das Heim eines Hornissenstaates. Wildbienen, allerlei Spinnen, Käfer, Schmetterlinge und auch kleine Säugetiere wie Mäuse finden in der Streuobstwiese ein zu Hause.
Laubfrosch, Blindschleichen und Eidechsen, sie alle haben im Biotop Streuobstwiese eine Überlebenschance.
Es ist immer ein kleines Erlebnis wenn ich bei der Arbeit in der Obstwiese Tiere beobachten kann.Wie sich kleine Eidechsen auf einen alten umgefallenen Baumstamm sonnen, oder die Vögel in den großen Birnbäumen nisten. Und immer wieder sind es auch seltene Arten die auf Besuch kommen und in den Streuobstwiesen ihr Futter suchen. Da ist der Wiedehopf gleich an erster Stelle erwähnt, und der Wendehals. Einige Spechtarten lassen immer wieder ihr Klopfkonzert ertönen, und auch Eulen sind immer wieder in den Streuobstwiesen auf der Suche nach Ihrer Nahrung.
Und natürlich darf auf unsere Honigbiene nicht vergessen werden. Auch wenn sie nicht direkt auf die Obstwiesen angewiesen ist, so findet die Honigbiene hier meist mehr Nektar und Pollen als anders wo. Die Apfel und Kirschblüte ist eine wichtige Futterquelle, und in sehr guten Jahren, wenn das Wetter perfekt mitspielt, kann man auch den seltenen Obstblütenhonig ernten.
Nur solange der Anreiz diese Flächen zu bewirtschaften finanziell nicht rentabel ist, werden diese so wichtigen Naturflächen weiter verschwinden.
Der Preis für Pressobst zur Saftgewinnung ist derart im Keller das es sich aus dieser Hinsicht nicht lohnt die Arbeit des Erntens auf sich zu nehmen. Wer nicht für den Eigenbedarf und aus Überzeugung seine Streuobstwiese bewirtschaftet, lässt die Bäume lieber fällen.
Doch denken wir auch an den Faktor Tourismus und Kulturlandschaft.
Wo finde ich Entspannung und Erholung beim Radfahren, wandern oder Joggen? In einer ausgeräumten Agrarlandschaft in der es nur mehr Mais und Getreidefelder gibt. Oder in einer locker aufgebauten Landschaft in der immer wieder Obstwiesen und Landschaftsbildende Hochstämmige Bäume das Bild der Umgebung prägen und die Wege säumen.
Mit Ausnahme der „Sekte der Golfspieler“, welche nur ökologisch tote Rasenlandschaften bevorzugen, empfinden die meisten Menschen eine blühende Landschaft als angenehmer und fühlen sich in dieser Umgebung geborgen.
Auch sind es diese Erholungssuchenden die gern bei einem Mostheurigen eine Stärkung zu sich nehmen und so auch zum Erhalt der alten Obstsorten beitragen. Und sich bei der Abreise als Erinnerung an die schöne Zeit die eine oder andere Flasche Apfelbrand oder Weichsellikör mit Heim nehmen.
Diese Überlegungen sind es die einen Erhalt der letzten noch bestehenden Streuobstwiesen erhoffen lassen.
Glücklicher Weise gibt es Europaweit seit den 80igern des letzten Jahrhunderts viele Vereine und Initiativen, die sich das Ziel gesetzt haben die Streuobstwiesen und Landschaften zu erhalten und die letzten Reste der alten Obstbaukultur zu erhalten. So wurden wieder viele alte Sorten auf Hochstamm veredelt und ausgepflanzt. Sortengärten wurden angelegt um die Genvielfalt nicht Verloren gehen zu lassen, Veredelungskurse, Baumschneidekurse, Obstverarbeitung, und Sortenkunde werden wieder hochgeschätzt. Und so kann man doch hoffen dass die klassische Obstwiese nicht ganz aus unserem Landschaftsbild verschwindet.
Es sei uns auch ein kleiner Gang in die Geschichte erlaubt.
Woher kommen unsere vielen Obstsorten denn überhaupt? Wer hat sie gezüchtet oder entdeckt?
Viele Fragen welche nicht alle beantwortet werden konnten, bis heute liegt immer noch ein leichter Schatten auf der Entstehungsgeschichte unseres Obstes.
Eines ist gewiss, seit der frühesten Menschheitsgeschichte gehört Wildobst zur Nahrung der Menschen. Beeren und Früchte wurden von unseren Vorfahren gesammelt und verspeisst.
Irgendwann begann mit der Sesshaftwerdung und dem frühem Ackerbau auch der erste Obstanbau in der Nähe der menschlichen Siedlungen. Die meisten Obstsorten kommen auch aus den Regionen wo die ersten Hochkulturen der Menschheit entstanden, Kleinasien, Ägypten, Orient, China…
In der Mythologie und der Religion spielten Obstbäume eine Rolle.
Denken wir nur an die Geschichte von Adam und Eva und dem Baum der Erkenntnis.
Oder welche Bedeutung Olivenhaine bei der Götterverehrung der Griechen und Römer spielten.
Den Römern waren laut Plinius dem Älteren bereits mehr als 20 Apfelsorten und über 30 Birnensorten bekannt. Ebenso auch eine Menge an Rebsorten kannten sie.
Über die Kontakte der Griechen und später der Römer mit diesen Kulturen des >Orients wurde auch das Wissen über Obstanbau und Veredelung im römisch geprägten Europa verbreitet. Zwar sprachen sie verächtlich über das herbe Wildobst der „Barbaren“ aber mit den Eroberungszügen kamen die Sorten und Arten der Römer in ihr gesamtes Reich.
Nach dem Untergang des Römischen Reiches waren es die ersten Klöster und Karl der Große die den Obstbau kultivierten und förderten.
In seiner „Verordnung über die Krongüter“ wird beschrieben welche Arten an Bäumen die Verwalter zu pflanzen und zu pflegen hatten. Äpfel, Birnen, Speierlinge, Mispeln, Mandeln, Haselnüsse, Kastanien, Nussbäume, Quitten und auch Pfirsiche, Kirschen, Maulbeeren und wo es das Klima zuließ auch Feigen. Auch werden einige Äpfelsorten mit Namen genannt. Jedoch sind diese heute nicht mehr auffindbar, oder in anderen Sorten durch Kreuzung aufgegangen
Später wurden in den Herrschaftlichen Schlössern und Palastgärten auch Obstgärten angelegt, und in weiterer Folge die Untertanen animiert zur Versorgung der Bevölkerung Obstgärten anzulegen.
Vom 15. bis zum 19. Jahrhundert wurden durch die Gesetze der Landes und Grundherren der Obstbau und die Neuzüchtung neuer Sorten stark gefördert und verbreitet. So mussten Eheleute zur Hochzeit und der Geburt der Kinder Bäume pflanzen. Auch wenn jemand das Bürgerrecht erhielt oder in eine Gemeinde zuzog musste er sich mit der Pflanzung eines oder mehrerer Obstbäume erkenntlich zeigen.
Erst nach dem 2.Weltkrieg fand der bäuerliche Obstbau aus bereits genannten Gründen seinen Niedergang und die Streuobstwiesen verschwanden Zusehens.
Wenn man bedenkt wie viele Apfelsorten bei einer Zählung im Südburgenland nicht einer bekannten Sorte zugeordnet werden konnten, kann man erahnen welchen Sortenreichtum es in früheren Zeiten gegeben haben muss. Fast in jeder Ortschaft gab es eine oder mehrere nur in der Umgebung verbreitete Sorten. Oft als Haussorte, Familienbaum, oder nach dem Bauern der sie zog benannt.
Sicher waren sehr viele darunter welche nicht unbedingt als Erhaltungs,- und Verbreitungswürdig gegolten haben mögen, aber als Genreserve für zukünftige Kreuzungen sind sie unwiederbringlich verloren gegangen.
Sind doch die meisten der wirklich alten Sorten Zufallssämlinge und keine gezielten Kreuzungen.
Aber im Geschmack und Aroma sind diese althergebrachten Sorten die besten welche man in der Brennerei zu hochwertigen Bränden verarbeiten kann. Und natürlich schmeckt auch ein Saft aus diesen Äpfel und Birnen besser als aus Konzentrat von modernen Hochleistungssorten.
An dieser Stelle möchte ich auf das Buch „Rund um den Apfelbaum“ herausgegeben vom Verein „Wieseninitiative“ von Frau Dipl.-Ing. Brigitte Gerger und Herrn Dipl.-Ing. Christian Holler verweisen, welches sich in besonderem Masse mit der Geschichte und der Entwicklung des Streuobstbaues im Südburgenland beschäftigt, und eine Vielzahl der hier kultivierten Apfelsorten in Wort und Bild beschreibt.